Die Mischung macht’s
In Stuttgart Rosenstein soll es eine große Vielfalt an Nutzungs-angeboten geben. Dadurch spielt sich das Leben sowohl innen als auch außen ab.
Wie wollen wir in Zukunft leben? Stuttgart Rosenstein ist für die Stadt Stuttgart die Chance, ein Stück Stadt von morgen zu
entwickeln. Das Ziel der Planerinnen und Planer: Ein dichtes
Nebeneinander von Wohnen, Gewerbe und Produktion – ein neues Stück
durchmischte Stadt für Stuttgart.
Was lange in Vergessenheit geraten war, ist unter Stadtplanern und Architekten heute wieder „en vogue“: Die Verbindung von Wohnen und Arbeiten. Neue Projekte im Städtebau werden immer häufiger unter dem Kriterium der sogenannten Nutzungsmischung entwickelt. Dabei werden Gebäude oder ganze Stadtquartiere so geplant, dass dort nicht nur Wohnungen oder Büros entstehen – sondern mindestens eine Kombination aus beidem. Zusätzlich wird Raum für kleine bis mittelständische Unternehmen und Geschäfte, Cafés und Restaurants ebenso wie für Schulen und Kindertagesstätten geschaffen.
Konkret heißt das: In den Obergeschossen befinden sich Wohn‐ oder Büroräume während die Erdgeschosse durch öffentliche Nutzungen belebt werden. Ziel ist nicht, möglichst viele Nutzungen auf möglichst wenig Raum gewinnbringend unterzubringen. Ziel ist, das Stadtquartier wieder zu einem lebendigen, urbanen Ort mit hoher Aufenthaltsqualität zu machen – so wie im künftigen Stuttgart Rosenstein.
Dachterrasse
Auf dem Dach können weitere Nutzungen, wie beispielsweise Gemeinschaftsgärten, Insektenhotels zum Artenschutz oder ein Café untergebracht werden.
Coworking
Arbeiten soll wieder näher an das Wohn- und Lebensumfeld der Menschen rücken. Gemeinschaftlich angemietete Büroräume, sogenannte „Coworking-Spaces“, sind nur eine Möglichkeit von vielen, dies zu erreichen.
Wohnraum
In einem gemischt genutzten Gebäude befinden sich die Wohnungen in direkter Nachbarschaft zu Gewerbetreibenden, Geschäften oder weiteren produktiven Nutzungen. Die Wohnung direkt neben dem Coworking-Space wird selbstverständlich.
Urbane Artenvielfalt
Auch die Bedürfnisse von Tieren spielen bei der Neugestaltung von städtischen Flächen eine wichtige Rolle. Indem Brutkästen an Häuserfassaden angebracht werden, finden Vögel genug Futter in den neuen Quartieren von Stuttgart Rosenstein.
Alternative Wohnformen
Stuttgart Rosenstein ermöglicht Wohnraum, der Wert auf Gemeinschaft legt. In Wohnateliers kann Wohnen mit künstlerischem Arbeiten verbunden werden.
Produzierende Stadt
Produktionsstätten - beispielsweise für kreatives Handwerk, Manufakturen oder "Maker Spaces" wie 3D-Druck-Labore - machen Stadtquartiere noch zukunftsfähiger.
Belebtes Erdgeschoss
Die Sockelzone bietet sich für klassische Nahversorgungsgeschäfte oder Ausstellungsräume an. Doch auch hier sind Wohnungen denkbar, um das Leben vor Ort so lebendig wie möglich zu gestalten.
Mobilitätsmix
Stuttgart Rosenstein ist als "Stadt der kurzen Wege" konzipiert. Dafür soll es die ÖPNV-Nutzung ermöglicht werden und das Wegenetz für Fußgänger und Radfahrer ausgebaut werden. Nachhaltige Mobilitätsangebote wie Bike-Sharing und Mikromobilität sind dabei nicht wegzudenken.
Wie die Stadt der kurzen Wege das „Wir‐Gefühl“ stärkt
Mit Nutzungsmischung erreicht man eine Stadt der kurzen Wege. Indem die Bewohnerinnen und Bewohner keine weiten Strecken zum Arbeitsplatz, zur Schule oder zum Einkaufen zurücklegen müssen, verbringen sie ihren Alltag weitgehend vor Ort. Durch viele verschiedene Nutzungsangebote wird der öffentliche Raum intensiver genutzt. Menschen, die sich normalerweise nicht begegnen würden, treffen sich. All das trägt zu einem starken „Wir‐Gefühl“ innerhalb des Quartiers bei.
“Soziale Teilhabe und ein lebendiges Lebens‐ und Arbeitsumfeld sind elementare Bestandteile zukunftsfähiger Quartiere.”
Cem Arat und Markus Weissmann, Stuttgarter Architekturbüro asp
Gemeinsam mit Koeber Landschaftsarchitektur haben Cem Arat und Markus Weissmann vom Stuttgarter Architekturbüro asp den internationalen städtebaulichen Rosenstein‐Wettbewerb der Stadt Stuttgart gewonnen, in dem eine hohe Nutzungsvielfalt für das zu entwickelnde Quartier gefordert war. „Eine vielfältige Gesellschaft fordert die Balance zwischen Individualität einerseits sowie Gemeinschaft und Identität in den einzelnen Nachbarschaften andererseits“, betonen die Planer.
Eine Wohnform, die Gemeinschaft und Individualität vereint, ist die Blockrandbebauung. Dabei gruppieren sich die Gebäude geschlossen um einen gemeinsamen Innenhof, dessen Fläche konsequent ausgenutzt wird. So auch im künftigen Stuttgart Rosenstein. Der Entwurf von asp/Koeber sieht vor, jeweils einen begrünten Quartiersplatz als Kern einer Nachbarschaft zu errichten. Sogenannte Quartiers‐Hubs sollen zusätzlich als zentrale Punkte in diesen Wohnvierteln dienen und Angebote für Einkäufe, soziale Einrichtungen oder neue Mobilitätsformen wie Carsharing oder E‐Bike‐Stationen bündeln. So bilden die Baublöcke jeweils den äußeren, gemeinschaftsbildenden Rahmen, die das städtische Leben auf sich vereinen, ohne Rückzugsmöglichkeiten für den Einzelnen zu vernachlässigen.
Das Erbe der funktionalistischen Moderne
Die dichte, durchmischte Stadt ist keineswegs eine Idee, die erst seit Kurzem eine Rolle in stadtplanerischen Überlegungen spielt. Das Leitbild der Europäischen Stadt, das die Arbeitsgemeinschaft asp/Koeber für ihre Vision von Stuttgart Rosenstein in die Zukunft übersetzt hat, fußt auf Vielfalt und kleinteiliger Mischung. Heutzutage erfreuen sich Häuser in historischen Quartieren aus der Gründerzeit besonderer Beliebtheit – bieten sie doch auf kompakte Art und Weise all das, was das Leben urban macht. Ein nachbarschaftliches Miteinander, Angebote des täglichen Bedarfs in direkter Nähe, begrünte Innenhöfe, die mitten in der Stadt für Idylle sorgen. Was will der moderne Großstädter mehr?
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Die beginnende Industrialisierung sorgte für einen Paradigmenwechsel im Städtebau. Auf der Suche nach Arbeit zogen die Menschen vom Land in die Städte, in denen Fabriken aus dem Boden schossen. In der Folge lebte die Bevölkerung in äußerst engen und ungesunden Lebensverhältnissen. Diese wollten die Vertreter der Architektur‐Moderne zu Beginn des 20. Jahrhunderts überwinden und propagierten eine funktionale Trennung zwischen Wohn‐ und Arbeitsflächen – die spätestens in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg noch einmal an Bedeutung gewann. Denn durch die Verbreitung des Autos wurde das Einfamilienhaus im Vorort zu einem weit verbreiteten Wohnstandard. Das Konzept der „autogerechten Stadt“ wurde in den 1960er Jahren von Stadtplanern erfolgreich umgesetzt – auch in Stuttgart. Indem die Strecke zwischen Arbeits‐ und Wohnort mit dem Auto problemlos überwunden werden konnte, zogen immer mehr Menschen weg aus den Innenstädten. Ein Trend, der heute wieder umgekehrt zu beobachten ist.
Was leistet die Stadt von morgen?
Die Entwicklungsfläche Rosenstein ist eine Chance von unschätzbarem Wert für die Stadtentwicklung. Mitten im Zentrum kann sich Stuttgart auf 85 Hektar von innen heraus erneuern und drängende infrastrukturelle, ökologische und ökonomische Fragen beantworten – und langfristig lösen. Auch hier bietet Nutzungsmischung viele Vorteile. Denn viele verschiedene Nutzungen machen es möglich, dass sie sich gegenseitig unterstützen und das Leben vor Ort bereichern, auch für eine starke lokale Wirtschaft.
Nimmt man beispielsweise den Bereich Mobilität in den Blick: In Stuttgart Rosenstein wird der Nachhaltigkeitsgedanke in besonderer Weise gelebt. Es soll einen Mix aus verschiedenen, modernen Verkehrsmitteln geben. Die Stadt der kurzen Wege macht es zudem möglich, weitgehend auf das Auto zu verzichten. Das wiederum wirkt sich positiv auf das Klima aus. Wie auch die Möglichkeit, durch Urban Gardening gemeinsam zu gärtnern und dadurch die Luftqualität zu verbessern. Gemischte Nutzungen sorgen außerdem dafür, dass Energie in hohem Maße eingespart werden kann: Indem Bewohner die Flächen miteinander teilen, können diese über den Tag verteilt intelligent gebraucht werden. Tagsüber verwendet die angesiedelte Tischlerei den Strom für ihre Maschinen, abends bleibt das Licht nur dann an, wenn die Galerie es für eine Vernissage benötigt. So haben alle was davon. Nichts weniger ist der Anspruch, den das künftige Stuttgart Rosenstein erhebt.